Finesmoke

Ja zum Tabak als Kulturgut, Nein zur Initiative!

Das Rauchverbot, wie wir es seit zwei Jahren in der Schweiz haben, ist für mich persönlich, der ich tagsüber kaum je rauche, nach wie vor ein grosser Verlust an Lebensqualität nach Feierabend. Unsere Gesellschaft war auf gutem Weg, die  störende Dominanz des blauen Dunstes in den Restaurants abzuschaffen, auch ohne diese einschneidenden Gesetze. Immer mehr Lokale wurden auf Grund eines freien Entscheids des jeweiligen Wirts völlig rauchfrei, und in unzähligen andern Restaurants gab es schon vor dem Rauchverbot Nichtraucher- und Raucherräume, die Tendenz war steigend.

Nun haben die Gegner des Tabakdufts ihr Ziel erreicht, und daran wollen wir selbstverständlich nicht rütteln. Auch wenn die meisten Kellner und Kellnerinnen gern mal zwischendurch eine rauchen und dafür nun ins Freie gehen müssen. In den wenigen Fumoirs bedienen nur Leute, die sich ausdrücklich dazu bereit erklären, und jeder Wirt wird sich, angesichts des rauen Antiraucher-Windes, der ihm um die Ohren pfeift, davor hüten, jemanden zu schikanieren, der diesen von Gesetzes wegen nur fakultativen Dienst verweigert.

Die Initiative, die von der Lungenliga erfolgreich lanciert wurde, täuscht den Stimmbürger mit dem Slogan „Schutz vor Passivrauchen“ darüber hinweg, dass er mit einem Ja mithilft, den Schutz der individuellen Freiheit, einer unserer höchsten gesellschaftlichen Errungenschaften, noch endgültig über Bord zu werfen. Ferner sollte es jedem vernünftig denkenden Menschen völlig klar sein, dass dieses bisschen Rauch in einem Raucherraum in keinem Verhältnis steht zu dem, was unseren Lungen an Schadstoffen täglich auf den Strassen zugemutet wird. Aber das Auto hat halt seine Lobby, die Industrie ebenfalls.

Ich selber bin Genussraucher, wie sehr viele andere Raucher auch. Für eine feine Cigarre oder Pfeife, nach dem Essen in einem Gasthof genossen, muss ich neuerdings das Lokal wechseln und meinen Kaffe irgendwo trinken, wo man noch rauchen darf. Ich will darüber nicht jammern, aber dieses letzte Refugium für einen mir wichtigen Genuss sollte man mir schon noch lassen!

Ich bitte alle Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, zu bedenken, dass Sie mit einem Ja zur Passivraucher-Initiative nicht einfach das gesetzlich eingeführte Rauchverbot, wie es nun einmal besteht, nochmals bestätigen, sondern dem wunderbaren Kulturgut Tabak noch endgültig den Garaus machen. Nichts anderes als das bezweckt die Initiative, aller Schönrednerei zum Trotz. Der Tabak als Suchtmittel jedoch wird einfach noch mehr auf die Strasse verlagert werden, sehr zum Ärger der umliegenden (meist in ihrem gesunden Schlaf gestörten) Anwohner. 

Alle Schweizerinnen und Schweizer, für welche Respekt und Toleranz gegenüber Minderheiten noch keine Fremdwörter sind, ermuntere ich hiermit, diese Initiative mit einem wuchtigen Nein an der Urne abzuschmettern.

Erwin Messmer, Bern

Leserbrief zum Rauchverbot, rechtskräftig ab 1. Juli 2009, an die Tageszeitung „Der Bund“

Zum Rauchverbot in den Berner Beizen zwei Zitate aus der Weltliteratur:

„Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode“ (Shakespeare, Hamlet)

"Mit den Irrthümern der Zeit ist schwer sich abzufinden: widersteht man ihnen, so steht man allein; lässt man sich daran befangen, so hat man auch weder Ehre noch Freude davon." (Goethe, Maximen und Reflexionen).

Zu Shakespeares Wahnsinn: Dass die Raucherei in den letzten Jahrzehnten eine Geisel für einen Teil der Nichtraucher war, wird keiner bestreiten. Es entwickelte sich in den letzten Jahren jedoch ein gut organisiertes und praktikables Nebeneinander von Rauchern und Nichtrauchern: viele Nichtraucherbeizen, Rauchverbot in Speisesälen, zumindest während der Essenszeiten, aber sicher nicht in der Gaststube, wo sich die Handwerker am Morgen zum Znüni einfanden und die Dorfbevölkerung sich nach getaner Arbeit zum Feierabendtrunk und zum Jass versammelte. Ebenfalls nicht in den Bars, wo zum Cognac oder Whisky eine feine Cigarre nichts als ein Stück Genusskultur im besten Sinn des Wortes bedeutete. Dass nun einfach tabula rasa gemacht wird und der Rauch aus den Beizen generell verbannt wird, kommt für mich einer mutwilligen Zerstörung einer gewachsenen Kultur gleich. Der Wahnsinn der Intoleranz von Nichtrauchern wie Gutzwiller und Löffel, versteckt unter dem Mäntelchen des übertriebenen, missionarischen und menschenverachtenden Gesundheitsfimmels, hat über die Vernunft gesiegt.

Zu Goethes Sackgasse-Skizze: Wir warten auf die Plakate in den leeren Gaststuben, wie man sie in Baden-Württembergs Beizen sehen konnte: „Die Raucher sind weg. Wo bleiben die Nichtraucher?“

Zum Schluss noch ein Zitat aus eigener Feder:

„Der Zeitgeist hat nichts mit dem Geist im Sinn von Intelligenz zu tun. Er ist einfach ein Geist, das heisst: ein Gespenst. Aber eines, das – im Gegensatz zu den Geistern in Märchen und Sagen – nicht sogleich wieder verschwindet, kaum dass es erschienen ist. Ein hartnäckiges Gespenst, das bleibt. Ein Geist, der so lange ausharrt, bis man seine Dummheit und Arroganz als normal betrachtet, bis dass man sich an ihn gewöhnt hat.“

 

Erwin Messmer

sda-Bericht auf der letzten Seit des „Bund“ vom 23. September 2009

Rauchverbote wirken 

USA / Europa Die Rauchverbote in Restaurants und öffentlichen Gebäuden haben zu einem unerwartet deutlichen Rückgang von Herzinfarkten geführt: In Europa und den USA sank die Zahl der Infarkte um bis zu ein Drittel. Somit sei das Leben vieler Tausend Menschen schon in kurzer Zeit gerettet worden, berichtet die britische Nachrichtenagentur PA gestern unter Berufung auf zwei US-Studien. die in den führenden US-Fachzeitschriften „Circulation“ und „Journal of the American College of Cardiology“ publiziert worden waren. Die Infarkte verminderten sich vor allem bei jüngeren Menschen und Frauen. Die Studien bündeln einzelne Erhebungen, in  die Millionen von Menschen einbezogen worden sind. Bei Einführung der Rauchverbote war ein derart positives Ergebnis nicht erwartet worden. (sda)

 

Leserbrief  zum sda-Bericht Rauchverbote wirken im "Bund" vom 23. September

(erschien, leicht gekürzt, im „Bund“ vom 5. Oktober 2009 unter dem in übergrossen, fast boulvardverdächtigen Lettern gesetzten Titel 

„Billiger Propagandatrick!“
Untertitel: Die postulierte Wirkung von Rauchverboten sei höchst fragwürdig

"(...)in einer amerikanischen Zeitung las ich sogar / jede Zigarette verkürze das Leben um sechsunddreissig Minuten, / das glaube ich nicht, vermutlich steht die Coca-Cola-Industrie / oder eine Kaugummifabrik hinter dem Artikel." Dies ist ein Zitat aus dem Gedicht Restaurant  des Arztes und Dichters Gottfried Benn. Damit wäre eigentlich zum sda-Berichtchen auf der letzten Seite des "Bund" bereits alles gesagt, selbst wenn heute andere Kräfte am Werk sind als etwa eine Kaugummifabrik. Dennoch: für wie blöd wollen uns eigentlich diese amerikanischen Studien noch verkaufen? Wer beweist uns denn, dass die Abnahme von Herzinfarkten ("um bis zu ein Drittel“ – ist das neuerdings eine wissenschaftliche Rechnungseinheit?) tatsächlich den Rauchverboten zuzuschreiben sind? Spielt das moderne Ernährungsbewusstsein und die immer selbstverständlicher werdende Salonfähigkeit von Bewegung und Sport dabei keine Rolle? Und wer bestimmt eigentlich bei einem Lungenkrebs, ob er nun auf das Konto des Rauchens oder auf das der Luftverpestung durch Strassenverkehr und Industrie geht? Der Rechtfertigungszwang heutiger Gesundheitsapostel, die sich mit ihren apokalyptischen Visionen von Raucherschäden tatsächlich durchzusetzen vermochten, scheint grenzenlos zu sein. Das Resultat der Rauchverbote, liest man weiter, sei sogar positiver als erwartet (was für ein billiger Propagandatrick!), womit sich diese notorischen Besserwisser eigentlich selber desavouieren. Und früher, so suggeriert der Artikel, sind offenbar reihenweise jüngere Raucherinnen und Raucher umgefallen, für ihr Laster gestraft und durch Infarkt dahingefällt. Wenn wir uns heute in den Städten Europas umblicken, wo haufenweise Leute rauchend durch die Strassen flanieren oder – viel öfter -  hetzen (eine Unart, die wir dem Rauchverbot in Restaurants zu verdanken haben), bekommen wir nicht den Eindruck, dass "die jüngeren Menschen und Frauen" (man lasse sich nur einmal diese geniale Formulierung auf der Zunge zergehen und verzichte dafür auf die nächste Zigarette!) sich aus Angst vor einem baldigen bösen Ende von ihrer geliebten Zigarette zu trennen gedenken.

Letzthin war ich an einer Trauerfeier, und im Lebenslauf spielte das Zigarettenetui, das der 86jährige Verstorbene in jungen Jahren von seinem Bruder geschenkt bekommen hatte, eine wichtige Rolle. In beispielhafter politischer Unkorrektheit fuhr die Pfarrerin dann weiter, der Verstorbene habe das Rauchen immer als grosse Freude empfunden, er sei aber ein mässiger Raucher gewesen. Später präzisierte mir gegenüber die Tochter des Verstorbenen, dieser habe pro Tag nur (!) zehn Zigaretten geraucht. Dem wäre noch hinzuzufügen, dass ein bekannter amerikanischer Schauspieler sich zu seinem 103. Geburtstag gewünscht hatte, dass das Rauchverbot in den USA wieder abgeschafft werde.

Es erstaunt mich, dass der "Bund", dessen Chefredaktor in einem Leitartikel ebenfalls sehr kritisch zum Berner Rauchverbot Stellung bezogen hatte, dieses sda-Elaborat seinen Leserinnen und Lesern auftischt. Wenn schon, hätte es, auch von der Textlänge her, allenfalls noch in die Kuriositätenecke "Zu guter Letzt" gepasst.

Erwin Messmer, Bern 

Das vom Bernischen Grossen Rat beschlossene Rauchverbot in den Beizen bedeutet für mich vor allem ein weiteres Stück Heimatverlust. Ausgerechnet jetzt, wo sich immer mehr ein durch Raucher- und Nichtrauchersektoren ermöglichtes  friedliches Nebeneinander von Rauchern und Nichtrauchern abzeichnet, kommt dieser beispiellose Rundumschlag! Bars ohne Raucher? Lächerlich! Stammtische auf dem Land ohne volle Aschenbecher? Kafkaesk!

Ich rauche fast nichts, denke tagsüber kaum daran, mir mal eine anzuzünden, in fünf Wochen rauche ich vielleicht ein Päckchen Zigaretten. Aber die sind für mich wichtig. Am Morgen in der Beiz beim Kaffee, am Abend zum Apero (beides kommt pro Woche ein bis zweimal vor). Ein gemütliches Abendessen ohne Zigarre zum Abschluss ist für mich jedoch eine sehr unbehagliche Vorstellung. Das ist, wie wenn man einem SP-Jastimmer zum Abendessen sein Glas Wein verbieten würde oder Herrn Löffel sein Trinkwasser zum Gartengrillplausch. Wenn dieser Letztere im Bund-Interview erklärt, es sei jedem Raucher zuzumuten, für fünf Minuten vor die Tür zu treten, so zeugt das von seinem engen Wahrnehmungshorizont. Es gibt nicht nur notorische Zigarettenraucher, sondern auch Genussraucher. Eine Zigarre oder Pfeife dauert eine Stunde, und die wird nun ausgerechnet an einem entspannten Abend in der Beiz, wo man sich zurücklehnen und geniessen möchte, nicht mehr möglich sein.

Ich bin enttäuscht über die unheilige Allianz von Linken, Grünen und EVP. Bis jetzt wählte ich hauptsächlich links-grün, weil ich meinte, diese Parteien würden es gut mit den Menschen meinen. Nun muss ich leider feststellen, dass sie ganz einfach ungeheuer ideologieanfällig sind. Eine ganze Kultur wird sang- und klanglos bachab geschickt, nur weil das Rauchen zum trendigen Sündenbock der Gesundheitspolitik gemacht worden ist. Man meint genau angeben zu können, wie viele Menschen pro Jahr wegen des vielzitierten und dramatisierten Passivrauchens erkranken, und wie viele sterben. Ruft man sich aber die Unwissenheit der Medizin in wichtigsten Gebieten der Patholgie in Erinnerung,  erinnert man sich daran, wie oft der Arzt schon ratlos war, wenn man ihn mit irgend einem Leiden aufsuchte, wirkt diese Sicherheit von Gutzwiller und Co. mehr als nur verdächtig. Reine Propaganda! Ich möchte wissen, wie viele Jastimmer im Grossen Rat sich auch sonst um reine Luft bemühen... Der Sonntagsausflug im Auto lässt grüssen, die Passfahrt mit dem Motorrad!

Ich werde auch in Zukunft nicht die Rechte wählen. Aber auch nicht mehr die Linke. In einer solchen immer steriler, immer repressiver, immer untoleranter werdenden Gesellschaft fühle ich mich ganz einfach nicht mehr daheim.  

Erwin Messmer

Zur unsäglichen Hexenjagd auf alles, was raucht

In einem Jahr werden Berns Speiselokale, die Beizen und sogar die Bars rauchfrei sein. Für den Genussraucher ein Fanal. Ein gutes Essen, gerade auswärts, wenn man sich für einmal zurücklehnen kann, den Dessert sich servieren lassen darf, nicht abwaschen und sich den Kaffe nicht selber zubereiten muss, ein solches Essen ohne die abschliessende Zigarre oder Pfeife ist für mich eine unvorstellbare Bevormundung. Möglicherweise ergreift der Wirteverband das Referendum, nämlich dann, wenn der Grosse Rat auch in zweiter Lesung keine Bedienung für die sogenannten Fumoirs zulassen will. Dann wird das Problem wohl durch eine Volksabstimmung erledigt werden.

Die bisherigen Erfahrungen mit Volksabstimmungen haben gezeigt, dass der Souverän das Rauchverbot mit grosser Mehrheit gutheisst. Wie ist das zu erklären? Sehr einfach!

  1. Viele Suchtraucher haben ein schlechtes Gewissen, nicht den sogenannten Passivrauchern, sondern sich selber gegenüber. Darum stimmen sie Ja, wohl wissend, dass es ihnen nichts oder wenig ausmachen wird, künftig für ihre Zigarette von Zeit zu Zeit ins Freie zu treten, so wie man bei Harndrang die Toilette aufsucht.
  2. Nur ein Drittel der Bevölkerung raucht. Von den fast siebzig Prozent Nichtrauchern (sehr viele von ihnen sind kaum regelmässige Beizenbesucher und werden es auch nach Einführung des Rauchverbots nicht werden) sind sicher die meisten der Meinung, dass es keinen Rauch braucht in öffentlichen Lokalen. Schliesslich rauchen sie ja nicht. Also stimmen sie Ja.

 

Von einer differenzierten Lösung, nämlich durch gute Raumaufteilung und adäquate Belüftungssysteme Rauchern und Nichtrauchern gerecht zu werden, will niemand etwas wissen. Das grosse lügnierische Schlagwort heisst Passivrauchen. Die Antiraucherlobby fährt mit horrenden Prozentzahlen auf: Angeblich sterben jährlich so und so viele Leute am Passivrauchen. Das halte ich für übelste Propaganda. Die Wissenschaft bleibt die Beweise

 schuldig. Ich bin überzeugt: das Passivrauchen ist nur am Rande und in extremen Fällen ein gesundheitliches Problem. In aller Regel ist es aber ein Problem der Toleranz, des Lebens und Lebenlassens. Ich wette, dass diese ganze Hexenjagd gegen die Raucher nicht aufgekommen wäre, wenn Tabakrauch geruchlos wäre, wenn also eine Zigarette oder eine Zigarre dem Raucher wohl schmecken, die andern aber nichts riechen würden vom Genuss ihres Nachbarn.

 

Sieht man sich heute in den Berner Beizen um, so herrscht hier die grosse Raucherruhe vor dem Sturm. Nichts deutet auf eine Änderung hin. Die meisten Leute, die im Restaurant sitzen, rauchen ihre Zigaretten, da und dort zieht einer genüsslich an seiner Pfeife oder an seiner Zigarre. Alle sitzen in Minne beisammen, Raucherinnnen und Nichtraucher, und umgekehrt. Auf jedem Tisch steht der Aschenbecher Von Zeit zu Zeit kommt der Kellner oder die Kellnerin und wechselt diskret den Aschenbecher: in allen Schweizer Lokalen eine einheitliche, wohl einstudierte Bewegung: Der gefüllte Aschenbecher wird mit dem sauberen für eine Sekunde fast zugedeckt, und wie von Geisterhand wechselt der saubere auf den Tisch und der gebrauchte in die Hand der Bedienung. Das alles wird leider bald einmal Geschichte sein. Der wunderbare Humidor, der in jedem guten Speiselokal an bestens sichtbarer Stelle sein edles Gut hortet, die feinen Zigarren aus Havanna, Nicaragua, Honduras, wird – zum Ärger jedes echten Gastronomen – in Bälde von der Bildfläche verschwinden. Kein Geringerer als der bekannte Gastro-Journalist Silvio Rizzi –  in unsterblicher Erinnerung durch seine Gault Millaut Redaktion und durch seine legendären Sonntagsblick-Kolumnen "Savoir vivre" – antwortete einmal auf die Frage, auf was er eher verzichten würde bei einem guten Essen, auf den Wein oder auf die Zigarre, dezidiert: Auf den Wein!

 

Paris. Seit mehr als einem Jahr sind die Lokale Frankreichs rauchfrei. Hordenweise stehen die Leute draussen, trinken und rauchen. Als Abstellflächen für ihre Biergläser dienen ihnen die Dächer ihrer Autos. Im Innern der Bars selbst ist tote Hose. So geht die Kultur vor die Hunde.

In der Brasserie Wepler, an der Place Clichy, wird das Essen nur drinnen serviert; dieTischchen am Boulevard, draussen vor der Brasserie, dienen nur   zum  Konsum von Getränken. Als ich  fertig getafelt hatte, fragte ich den Kellner, ob ich meinen Wein draussen weitertrinken könne. Ich sei Raucher. Er sah mich verdutzt an und verneinte schliesslich. Ich könne hinausgehen und meine Zigarette dort rauchen, der Tisch bleibe für mich reserviert. Ich erklärte ihm, dass ich Zigarrenraucher sei. Nun war er vollends ratlos. Schliesslich schlug ich vor, meine Rechnung zu begleichen und mit meinem Wein hernach dann doch nach draussen zu gehen. Nach angestrengtem Nachdenken akzeptierte er meinen Vorschlag. Als ich mir schliesslich mit der Demie-Bouteille und dem Glas in der Hand, die Tasche umgehängt, die Jacke über den freien Arm geschlagen, meinen Weg zum Ausgang bahnte, sah mir der Empfangskellner an der Tür ziemlich perplex nach. Und natürlich bedurfte es auch eines klärenden Wortwechsels mit der Bedienung draussen, um zu erläutern, warum ich im Augenblick nichts bestellen wollte.

 

Auch in vielen Teilen Deutschlands ist inzwischen das Rauchverbot eingführt worden. Mit zwei Frreunden befinde ich mich auf der Konzertreise nach Dresden. In einem hübschen Dörfchen am Main übernachten wir. Das Wetter meint es gut mit uns, wir können draussen essen und somit nach dem Essen auch rauchen. Am Morgen, bevor ich mich in den Frühstücksraum begebe, werfe ich kurz einen Blick in die Gaststube. Und sehe auf dem Tresen einen Aschenbecher voller Zigarettenkippen. sofort erkundige ich mich bei der Wirtin, ob man denn in ihrer Gaststätte noch rauchen dürfe. Sie winkt ab. Leider nein! Aber nach Wirtshausschluss betrachte sie die Gaststube als ihren Privatraum, ebenso am Morgen, bevor das Lokal geöffnet werde. Von den 9 Mitarbeiterinnen würden, mit Ausnahme einer Putzfrau, eh alle rauchen. – Von wegen Passivrauchen! Das arme Servierpersonal, das von den Gästen verpestet wird! In der Tat zählt sich die grosse Mehrzahl der Bedienenden zur verfemten Gruppe der Raucher. Wie fast alle Wirte ist auch diese Lokalbesitzerin  stinksauer auf das Rauchverbot.

Auf der Heimfahrt von Dresden nach Bern machen wir wieder in einem fränkischen Dorf Station. Nach dem Essen in einem Gastgarten erklärt uns die Kellnerin, dass in einer halben Stunde geschlossen werde. Aber im Dorfzentrum gebe es ein Restaurant mit Aussenbedienung auf dem Dorfplatz, und dieses werde noch lange geöffnet haben. Bereits rauchen wir, das heisst: ich und einer der beiden Freunde, der andere ist Nichtraucher. Gemütlich schlendern wir hinauf zum Dorfplatz. Draussen dämmern die unbesetzten Tische in einem verdächtigen Halbdunkel vor sich hin. Nur an einem Tisch sitzen noch Leute. Es ist die Belegschaft. Fast alle rauchen. Ein schlacksiger Mensch in Kellneruniform –  der Oberkellner - steht sofort auf und teilt uns mit, dass nur noch drinnen bedient werde. - Wir sind aber Raucher, gebe ich zu bedenken. - Tut mir leid, entgegenet der andere schroff. Drinnen oder gar nicht. - Unser Freund, der Nichtraucher, eilt ins Lokal. Offensichtlich will er dort jemanden finden, mit dem er das Problem besprechen kann. Der Oberkellner, die Zigarette in der Hand, eilt diesem nach. Ich sehe, wie er im Entrée, einer Art Zwischenraum  mit zwei Stehtischchen, seine Zigarette in einen Aschenbecher drückt. Da kommt mir eine Idee: In diesem Zwischenraum gibt es Aschenbecher! Wir könnten unsern Schlummertrunk vielleicht dort zu uns nehmen. Mit der Zigarre in der Hand, aber natürlich ohne an ihr zu ziehen, betrete ich das Lokal, um meinen Vorschlag anzubringen. Hysterisch schreit mich der Kellner an: Gehen sie sofort raus mit dieser Zigarre. Hier drin ist Rauchverbot!. - Nur mit Not kann ich meine Idee vorbringen, aber nein: „In diesem Entrée wird nichts konsumiert. Machen Sie, dass Sie raus kommen.“ Er benimmt sich, als sei ich von der Pest befallen. Mein Freund, der Nichtraucher, ist ausser sich vor Wut. Draussen angekommen, ergreift er einen Stapel zusammengeklappter Stühle, die an einen Tisch gelehnt sind und wirft sie zu Boden. Das Belegschaftsgrüpplein am Tisch schreckt auf. Der Oberkellner kreischt: Was fällt Ihnen ein! - Schon ist der Freund an einer den Gastgarten begrenzenden Blumenrabatte angelangt, reisst, in totaler Rage, ein paar Pflanzen aus, schmeisst sie zu Boden. „Sind Sie von Sinnen?“ schreit der Kellner. „Ich erstatte Anzeige!“ – „Draussen gibt's nichts zu trinken und drinnen darf man nicht rauchen!“ mault mein Freund zurück. Geht's eigentlich noch!?“ Mit eiligen Schritten verlassen wir den unseligen Ort. Der Oberkellner, in äusserster Erregung, rennt uns noch einige Schritte die Gasse hinunter nach. „Wenigstens entschuldigen könnten Sie sich“, schreit er meinem Freund nach. „Es tut mir leid“, gibt dieser zurück, „auf Wiedersehen, oder besser auf Nimmerwiedersehen!“ – „Ich erstatte Anzeige!“ hallt es uns noch nach, und schon sind wir wieder beim Lokal, wo wir eben gegessen hatten. Aber da sind nun schon die Gitter vorgeschoben. Die Kellnerin, wie eine Gefangene, gibt uns durch die Drahtmaschenn den Rat, es ganz oben im Dorf, nahe der Eisenbahnlinie zu versuchen. Da gebe es ein Lokal, wo man bis weit nach Mitternacht draussen sitzen könne. Wir müssen das Lokal auf Umwegen ansteuern, denn auf den Dorfplatz wagen wir uns aus verständlichen Gründen nicht mehr. Landen dann allerdings in einem Paradies: Lauschige Kastanienbäume bei dezenter Beleuchtung bieten uns Schutz, der leicht alternativ aussehende Wirt – ein alter Achtundsechziger? – bringt uns Bier um Bier, die laue Sommernachtluft haucht unseren erregten Gemütern Kühlung zu. Vor allem geht es darum, unseren Freund, den Nichtraucher, aus seiner Konsternation zu befreien. Er ist total deprimiert – über sich selbst. Ich habe ihn in alle den Jahren noch nie in Rage gesehen, er ist ein äusserst liebenswürdiger, toleranter, verständiger Mensch, immer witzig, beherrscht und wohlerzogen. Er war über seine heftige Reaktion nicht minder erstaunt als wir.

 

Das sind Sommergeschichten. Im Winter gibt es keine Gartenstühle, die man umwerfen, erst recht keine Blumenrabatten, an denen selbst der Nichtraucher seinen nur zu verständlichen Frust auslassen könnte.

 

Erwin Messmer

Leserbrief für den Bund (erschienen, vom Autor auf Anfrage stark gekürzt, im „Bund“, Mai 2006)

Also Brüder und Schwestern im Herrn, künftig wird unsere Luft rein sein. Wie unser Gewissen. Herr Ober, noch ein Mineralwasser! Für den Herrn Löffel.
Herr Löffel meint es ja nur gut mit der Menschheit. Er meint, dass unser Unglück dem Qualm dieser Welt zuzuschreiben sei. Den mag er nun einmal nicht riechen. Der Rauch wird nun weichen müssen, zurück in die Hölle, woher er gekommen war. Wir werden die siegreichen EVP-Brüder jubelnd durch die vom motorisierten Feierabendverkehr verstopften Strassen ziehen sehen. Ohne Gasmasken. Mit Fähnchen, auf denen geschrieben steht: Gelobt sei Gott, die Luft ist rein!
Die unheilige Allianz: Rot-Grün zog mit. Nicht etwa, weil die Genossen den Rauch nicht riechen mögen. Aber auch sie hatten halt ein schlechtes Gewissen. Rauchen ist Opium für das Volk. Soviel Genuss in einer derart übel strukturierten Gesellschaft! Man kann doch nicht einfach eine Zigarre anzünden, sich zurücklehnen und so tun, als ob die Gletscher nicht schmölzen. Pfeife rauchend dem Neoliberalismus den Rücken zuwenden? Pfui! Es geht nicht an, sich mit einer duftenden Zigarette den bitteren Kaffee des Lebens zu vernebeln. Das tun die zwar auch, jedenfalls viele von ihnen, aber künftig verschämt, draussen vor der Tür, oder sie werden ihre Notdurft in einem toilettenartigen Fumoir verrichten.
Die Mediziner wissen für einmal Bescheid. Der Grund für unseren miesen Gesundheitszustand sind die Raucher. Der Herr Doktor, der ansonsten recht oft im Dunkeln tappt, wenn man von ihm einen Rat oder eine Diagnose erwartet, kann nun plötzlich in Prozenten und auf die Kommastelle genau ausdrücken, wieviele Leute pro Jahr am Passivrauch erkranken und wieviele von ihnen gar das Zeitliche segnen. Herr Gutzwiller jedenfalls hätte Statistiker werden sollen. Oder Propagandaminister in einem totalitären Staat, mit Herrn Zeltner als Präsidenten. Nun ist er eben Präventivmediziner geworden. Und leider auch Nationalrat.
Ich selber bin ein Raucher aus Lust und Überzeugung. Trage mein angebrochnes Päckchen Zigaretten allerdings vier bis fünf Wochen lang mit mir herum, bis es leer ist. In der Beiz zum Morgenkaffee (einmal pro Woche) oder zum Apero (einmal pro Woche) wird mir die Parisienne carrée (die schon mein Grossonkel geraucht hatte, bis er mit 84 starb) fehlen. Und die Zigarre, nach einem guten Essen im Restaurant, dauert jeweils eine Stunde. Ich fühle mich so, wie sich der Herr Löffel fühlen würde, wenn man ihm sein Blöterliwasser zum Gartengrillplausch wegnehmen würde. Schliesslich kann ich nicht mitten im Winter eine Stunde vor der Tür stehen und mir eine Lungenentzündung holen. Herr Löffel will ja eigentlich, dass unsere Lungen gesund sind und es auch bleiben. Es gehe ganz und gar nicht darum, die Raucher auszugrenzen, beteuert er. Von wegen!
Das vom Berner Grossen Rat beschlossene Rauchverbot kommt just zu einem Zeitpunkt, da die berechtigeten Anliegen der Nichtraucher auch in den Beizen zu greifen beginnen. Da sich unter der besonnen Regie der Patrons ein friedliches und meist auch distanzmässig oder sogar räumlich abgetrenntes, gut belüftetes Nebeneinander von Raucherinnen und Nichtrauchern abgezeichnet hat.
Das Verbot bedeutet für mich vorab ein gewaltiges Stück Heimatverlust. Eine ganze gewachsene Kultur geht aufgrund einer propagandistisch übelst aufgeblähten Sündenbockideologie vor die Hunde. Bars ohne Rauch? Ein klinisches Trauerspiel. Quartierbeizen und Stammtisch im Landgasthof ohne Aschenbecher? Kafkaesk.
Wie verhalte ich mich bei den nächsten Wahlen? Ich wähle nicht mehr links-grün wie bisher. Viele Genossen meinen es nicht so gut mit den Menschen, wie ich immer gemeint habe. Sie sind genauso ideologieanfällig wie ihre politischen Gegner aus dem rechten Lager. Ich wähle aber auch nicht Parteien, die ich bisher für nicht wahlwürdig gehalten habe. Ich weiss nicht, ob, wen und wozu ich noch wählen gehen soll. In einer von oben herab steril, sauber und untolerant gemachten Gesellschaft fühle ich mich ganz einfach nicht mehr daheim.

Erwin Messmer, Bern